Meine Meinung zu Huf, Pferd und Training

Mein Alltag besteht darin, Pferden die Hufe zu kürzen und, wenn sie nicht barhuf laufen, neu zu beschlagen. Dabei ist es fast nie so, dass ich überall gleichviel wegnehmen kann, weil das Pferd nun mal nicht super gleichmässig auf den Beinen steht und geht. 

Fast jedes Pferd hat durch seine natürliche Schiefe auch asymmetrische Hufe. Meine Aufgabe ist es, die Hufe passend zum Pferd zu bearbeiten. Dazu ist es mir wichtig, das ganze Pferd zu betrachten. Ich will wissen warum der Huf schief ist oder die Eisen einseitig abgenutzt sind. 

Gerne vergleiche ich mit uns Menschen. Wir gehen auch nicht perfekt ausbalanciert auf unseren Füssen. Der eine läuft auf dem Aussenfuss, der andere eher innen, einer hat einen Plattfuss, der andere einen hohen Rist. Und genau so ist es auch bei den Pferden. Und sie haben vier Füsse; es kann also sein, dass alle vier unterschiedlich sind. 

Es ist in der Regel auch rassebedingt, welche Form die Hufe haben. Zum Beispiel Spanier haben eher steile, schmale Hufe um in der steinigen Landschaft klarzukommen. Der Irländer kommt aus dem Moorgebiet, er braucht grosse, runde Hufe um nicht einzusinken. Der Düllmener hat zwar weder steile noch flache Hufe, aber er hat kein starkes Hornwachstum, da er in der Marsch lebt und wenig Abrieb hat. Der Isländer hat passende aber eher kleine Hufe, in seinem Zuhause läuft er viel auf schmalen Pfaden trittsicher in schnellem Tempo.

Die Rasse spielt auch in der Art der Bewegung eine Rolle. Arbeitsrassen wie Quarter, Criollos oder Camarguepferde haben flache, eher kurze Tritte, sie sollen stundenlang ermüdungs- und verschleissfrei mit einem Reiter im Sattel laufen können. Spanier, Friesen und andere ganggewaltige Pferde hingegen imponieren mit einer hohen Aktion, sie sollen Eindruck machen, früher auf dem Schlachtfeld allenfalls nicht über gefallene Krieger stolpern und heutige Zuchten vorallem den Wow-Effekt haben. 

Exterieurmerkmale der heutigen Pferde haben auch einen Einfluss auf die Hufe. So sind viele Pferde heute leider mit Mängeln gezüchtet zugunsten optischer Schönheit und auch wegen dem verlangten Leistungsziel der heutigen Sportszenen. Diese wollen keine Pferde, die möglichst gebäudeschonend uralt werden. Sie sollen in jungen Jahren viel Leistung in sehr kurzer Zeit zeigen. Dies führt auch dazu, dass Pferde nicht mehr harmonisch gebaut sind und somit auch nicht mehr optimal gehen können. 

Die Pferde werden nun meistens nicht von wahren Rittmeistern bewegt sondern sollen vorallem Spass machen. Es spricht auch nichts dagegen einfach nur aus dem Alltag auszubrechen und mit dem Pferd stundenlang durch die Wälder zu streifen. Heute reitet man nicht mehr quer durch alles hindurch, man springt nicht über Absperrungen und rutscht die steilsten Hänge herunter. In meiner Kindheit war das noch so. Aber ehrlich: Ich würde es heute auch nicht mehr machen, zumindest nicht von den Wegen abweichen oder Absperrketten überspringen. 

Dressurmässige Arbeit kombiniert mit den früher eher wilden Ausflügen ins Gelände machten die Pferde rundum fit. Heute ist das Bild von Dressur leider stark verrückt und Geländereiten entspricht langsamem Schländern ohne Anstrengung. Die Pferde sollen den Kopf unten haben, den Hals rollen und was hinten kommt ist egal, das ist angewachsen. Dass der Motor hinten ist, scheint einem alten Märchen gleichzukommen.

Und so treffe ich viele Pferde an, die hinten die Zehen schleifen, vorne sehr einseitig belasten, die Hinterbeine erst hinten rausstellen und später, wenn die Vorderen schmerzen, die Hinteren unter den Bauch nehmen. Pferde, die auf der Vorhand laufen, die so stark sich mit den Vorderhufen vorwärts ziehen anstelle von hinten schieben, dass sie sogar an den Vorderhufen im Zehenbereich massive Abnutzungen haben, grosse, asymmetrische Schultermuskulatur aufweisen und ein 'Füdeli' hinten dran haben. 

Leider gibt es noch keine Eisen, die aus dem Freizeitpferd mit 'falscher' oder nicht ganz korrekter Muskulatur ein bestens bemuskeltes und gymnastiziertes Pferd machen. Auch keine Duplos, die jahrelanges Üben von nützlichen Dressurlektionen ersetzen. Kein Barhufschnitt, der aus dem gemütlich gemachten Gondeltierchen einen Distanzflitzer macht.

Das muss alles der Reiter erledigen. Ich gebe ihm von unten her die Möglichkeit, das Pferd zu nutzen und es auch mal über seine Comfortzone hinaus zu bewegen. Ich kann therapeutisch abhelfen, gewisse erschwerende Hufstellungen oder Gangbilder mit einem passenden Beschlag in die richtige Richtung lenken. Aber das Training bleibt einzig und allein am Reiter hängen. Gerne gebe ich aber Tipps, auch kenne ich einige wunderbare Pferdetrainer, Reitlehrer, Therapeuten oder was auch immer das Bedürfnis ist.

Noch eine Bemerkung: Nebst unpassenden Sätteln, ungleichmässig sitzende Reiter (bei wiederkehrenden Problemen trotz Osteopath am Pferd sollte man den Fehler bei sich suchen ;-D) muss ich hier auch nochmal darauf hinweisen, dass Jungpferde mit acht Jahren ausgewachsen sind; Rasseunabhängig! Wenn sie mit vier bereits alle Lektionen beherrschen wurde vermutlich zu früh angefangen und der Weg war mit Sicherheit nicht der Richtige. Vierjährige Pferde, die in allen Gangarten und Seitengängen gehen und die Piaffe aus dem FF können, sollten zum Nachdenken anregen. 

Modeerscheinung Knieprobleme (abgesehen von wirklichen Knieproblemen) kann oft oben genannter Problematik zugeordnet werden: Falsch trainiert, nicht trainiert, zu jung trainiert... und nicht zuletzt: Zahnprobleme! Diese können durch Kieferblockaden über das Nackenband bis zur Hinterhand gelangen und machen dort Probleme.

Meine Take Home Message: Willst Du dem Pferd Gutes tun, dann trainiere über seiner Comfortzone und lege das grösste Augenmerk auf die aktive Hinterhand.

Deine Hufschmiedin
Eve Stutz
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